FOLTERMÜHLE DER GEFANGENEN FRAUEN
Originaltitel | LES RAISINS DE LA MORT |
Alternativtitel | GRAPES OF DEATH (Exporttitel) ZOMBIS - GESCHÄNDETE FRAUEN (sic!) (dt. Videotitel) PESTIZIDE - GRAPES OF DEATH (dt. DVD-Titel) |
Land und Jahr | Frankreich 1978 |
Regie | Jean Rollin |
Produktionsfirma | Rush Production, Les Films ABC, Off Production |
Drehbuch | Jean Rollin & Jean-Pierre Bouyxou |
Kamera | Claude Bécogné |
Schnitt | Christian Stolanovich & Dominique Saint-Cyr |
Musik | Philippe Sissmann |
Spezialeffekte | Alfredo Tibéri, Raphael Maronjiu & Yannick Josse |
Herstellungsleitung | Christian Rush |
Darsteller | Marie-Georges Pascal, Félix Marten, Serge Marquant, Mirella Rancelot, Patrice Valota, Patricia Certier, Michel Herval, Brigitte Lahaie, Paul Bisciglia, Olivier Rollin, Francois Pascal, Évelyne Thomas, Jean-Pierre Bouyxou, Jean Rollin u. a. |
deutsche Erstaufführung | 22.08.1980 |
Verleih | A.B.-Filmverleih GmbH |
Format | 1:1,85 |
Laufzeit | 81 Minuten (deutsche Kino-Version) |
Home-Entertainment | Video: ABC Video (als ZOMBIS - GESCHÄNDETE FRAUEN [sic!]; 77:24 Minuten). DVD: Cineclub (als PESTIZIDE - GRAPES OF DEATH: erstklassige, um ca. 20 Minuten ergänzte "Special Edition" in exzellenter Bildqualität und mit vielen tollen Extras - siehe Ticker-Meldung vom 24.04.2002). |
Der Film beginnt mit einer Bahnfahrt
von Claudine (Marie Georges Pascal) und ihrer Freundin. Bei einem Zwischenstopp
nahe des Ziels der Reise steigt ein Fremder in den Zug und tötet noch am Bahnhof
unbemerkt Claudines Freundin. Als
der Zug sich wieder in Bewegung setzt, wird auch Claudine von dem Mann bedroht
- und zwar so massiv, dass sie durch die Abteile flüchtet und schließlich die
Notbremse zieht. Mit dem so erzwungenen Stopp beginnt die eigentliche Odyssee
der Hauptdarstellerin, die sie zwar am Ende in die Arme ihres Geliebten führt,
den sie eigentlich besuchen wollte, nicht aber ohne Überraschungen und Wendungen
bleibt.
In Panik flüchtet Claudine aus dem Zug über wilde Felder zu einem alten Bauernhaus, wo sie von einem seltsamen Mann (Serge Marquant) und seiner Tochter aufgenommen wird. Schon kurz darauf stellt sich heraus, dass der offenbar schwer geistesgestörte Mann nicht nur seine Ehefrau umgebracht hat, die mit durchschnittener Kehle auf dem Bett vor sich hinschimmelt, sondern auch seiner Tochter und nicht zuletzt Claudine nach dem Leben trachtet. Als sich die beiden Frauen zur gemeinsamen Flucht entschließen, will der Wahnsinnige bei seiner Tochter die gleiche schwere "Erkrankung" wie bei seiner Ehefrau erkannt haben und tötet sein eigenes Kind mit einer Mistgabel. Claudine konnte sich jedoch rechtzeitig die Autoschlüssel sichern, putzt den Geistesgestörten in dessen eigener Karre noch schnell von der Straße und setzt ihre Reise fort.
In der Nähe eines Dorfes trifft sie
auf einem von Felsen übersäten Acker auf eine Blinde (Mirella Rancelot), welche
sich dort nicht nur verlaufen hat, sondern auch etwas wirres Zeug redet. Angeblich
sollen sich die Dorfbewohner alle miteinander wegen ihr gestritten haben. Claudine
bietet der Blinden an, sie zurück ins Dorf zu bringen. Zusammen stolpern die
beiden zu den Hütten zurück, wo allerlei Brände zündeln und sich keine Menschenseele
blicken lässt. Das macht das blinde Mädchen zusehends nervös. Auch
Beschwichtigungen können die Augenkranke nicht beruhigen. Als es Nacht wird,
tauchen im Dorf allerlei kuriose Gestalten mit Geschwüren auf, die sich peu
a peu zusammenrotten und sich der Präsenz der beiden nicht infizierten Frauen
gewahr werden. Die Blinde meint in einer der suppenden Gestalten ihren Liebhaber
zu erkennen, den sie sich auch prompt in die Arme wirft. Der will ihr allerdings
nichts Gutes, sondern nagelt sie christusgleich an eine Haustür fest und köpft
sie sodann unter hämischen Gegrinse. Schockiert flüchtet Claudine erneut, gefolgt
von den wackelnden Gestalten.
Unterschlupf findet sie bei der mysteriösen Jeanette (Brigitte Lahaie), die zu berichten weiß, dass alle Dorfbewohner nach der letzten Weinprobe scheinbar dem Wahnsinn anheim gefallen sind. Claudines Vertrauen in die neue Freundschaft wird jedoch jäh enttäuscht, denn Jeanette ist nur daran interessiert, sie in die Arme der Irren treiben. In diesem gefahrenvollen Moment erscheinen zwei Bauern (einer von ihnen: Félix Marten) im Dorf, die unlängst Wind von der Weinpanscherei bekommen haben. Sie beginnen die Wahnsinnigen niederzuschießen und die Dorfhütten mit Dynamit auszubomben. Im Strudel der sich überschlagenden Ereignisse wird der dynamitbeladene Lastwagen der Bauern von Jeanette angezündet, wobei der LKW und Jeanette irreparabel zu Schaden kommen. Die Männer müssen nun mit der sich inzwischen angefundenen Claudine per pedes fliehen.
Sie
beschließen, zu dem wenig entfernten und isoliert liegenden Weingut zu gelangen,
welches Claudine sowieso aufsuchen wollte, da dort ja immer noch ihr Freund
auf sie wartet. Im Morgengrauen erreichen sie den Hof, der sich allerdings auch
als menschenleer entpuppt. Ratlos benachrichtigt man die Polizei und Claudine
macht sich auf die Suche nach ihrem Freund (Michel Herval), den sie auch auf
dem Dachboden einer Scheune findet. Wie sich jedoch herausstellt, hat auch er
vom neuen Wein genascht, der mit einem neuen Pestizid behandelt worden ist.
In diesem Moment werden die beiden von den Bauern gestört, die nach dem Verbleib
des Mädchen sehen wollen. Kurzerhand strecken sie den infizierten Mann mit dem
Gewehr nieder und müssen im nachfolgenden Getümmel mit der rachschnaubenden
Claudine ebenfalls ihr Leben lassen. Zu guter Letzt sieht auch das Mädchen keinen
Ausweg mehr und lässt sich freiwillig mit dem verseuchten Blut ihres erschossenen
Freundes vollkleckern ...
So sehen also französische Katastrophenfilme aus. Zumindest wenn man Regisseur Jean Rollin trauen mag, der nicht müde wird zu berichten, dass sein Film mitnichten an George A. Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD angelehnt ist, sondern sich als Nachzügler der in den 70ern sehr populären und kassenträchtigen Produktionen vom Schlage THE TOWERING INFERNO und THE POSEIDON ADVENTURE begreift. Allerdings lässt sich unschwer leugnen, dass sich viele Szenen und auch ganze Handlungsabschnitte an Romeros Klassiker orientieren. Das Zusammenrotten der Infizierten in der Nacht riecht ebenso sehr nach NIGHT wie die Explosion des Trucks im unpassendsten Moment sowie das Auftauchen der beiden Bauern als Bürgerwehr-Stand-Ins. Mit THE TOWERING INFERNO lassen sich da schon wesentlich weniger Vergleiche finden. Richtig ist zwar, dass Rollins potentieller Geldgeber, Claude Guedj, sehr daran interessiert war, einen Film zu schaffen, der sowohl Zombiethematik als auch Katastrophenkino unter einem Dach vereint, doch das Resultat, welches in nur zwölftägiger Drehzeit entstanden ist, weißt tendenziell doch mehr in eine Richtung als in zwei. Dies jedoch nicht, ohne "rollinesque" zu sein.
LES
RAISINS DE LA MORT zählt neben LA MORTE VIVANTE und FASCINATION ganz bestimmt
zu den zugänglichsten Werken des Franzosen. Wie in allen seinen Filmen, gibt
es auch hier eine Vielzahl stimmungsvoller Momente und stilisierter Bilder,
durch die Jean Rollin letztlich bekannt geworden ist. Eindrucksvolle Szenen,
wie etwa diejenige mit dem blinden Mädchen, das allein und nur mit einem weißen
Kleidchen in einer schon etwas grotesk anmutenden Felslandschaft umherirrt sowie
auch die beklemmend anmutende Bahnfahrt der beiden Frauen in einem menschenleeren
Zug gleich zu Beginn, sind bezeichnend für den Regisseur.
Als etwas aus der Art gefallen präsentieren sich da schon eher die drastischen Schockmomente, mit denen der Film gespickt ist. Obwohl diese weitaus mehr Sinn machen als in so mancherlei anderem Produkt - vornehmlich italienischer Titelschmieden - und Rollin auch immer bekräftigt, dass die Effekte in LES RAISINS DE LA MORT in die Handlung integriert sind, was man als unvoreingenommener Betrachter auch gern glaubt, sind sie sicherlich nicht nur aus Gründen künstlerischer Wertschöpfung im Film enthalten, sondern auch aus marktpolitischen Überlegungen. Gerade dies sorgt dafür, dass sich der Film, insbesondere im Abstand von nun bald 25 Jahren, in einigen Szenen etwas der Lächerlichkeit preisgibt. Die Darstellung der Verseuchten, welche gern großwundige Furunkel auf der Stirn mit sich herumtragen, die immer just in den Momenten aufplatzen und zerfließen, wenn sich die Kamera ihnen nähert, entlockt dem Betrachter heutzutage natürlich nicht unbedingt einen tüchtigen Schock, sondern allenfalls schallendes Gelächter.
Einfach
großartig sind allerdings die Darsteller, welche Jean Rollin für diese Werk
hat verpflichten können. So glänzt in der Hauptrolle Marie Georges Pascal, die
sich - verglichen mit ihren bemerkenswerten Kolportagestücken IM GARTEN DER
WOLLUST - POURQUOI? aus dem Jahre 1973 und MARILYNE - IM PARADIES DER SINNLICHKEIT
(aka MARILYNE - FEUCHTE TRÄUME AUS PARIS) - diesmal durchgehend angezogen und
sittsam präsentiert. Auch wunderbar zu gefallen wissen Serge Marquand, der 1967
in Klaus Lemkes NEGRESCO - EINE TÖDLICHE AFFÄRE und in dem von Giorgio Ferroni
inszenierten Italowestern WANTED größere Rollen spielte und gleich bei Auszug
aus der FOLTERMÜHLE DER GEFANGENEN FRAUEN für das Kriegsspektakel THE BIG RED
ONE verpflichtet wurde sowie Félix Marten, der nicht nur in dem Klassiker FAHRSTUHL
ZUM SCHAFFOT zu sehen war, sondern sich 1960/61 in den amüsant anzusehenden
Kriminalfilmen INSPEKTOR KENT JAGT FLOTTE PUPPEN und INSPEKTOR KENT HAUT AUF
DIE PAUKE seinen guten Namen schlagkräftig verdiente.
Von besonderem Genuss ist natürlich die Mitwirkung der 1955 in Tourcoing, Belgien, geborenen Brigade Van Meerhaegue, die als Brigitte Lahaie bereits in zahllosen Werken einschlägig vorbelasteter Regisseure wie Claude Bernard-Aubert und Gerard Kikoine im wahrsten Sinne des Wortes zu bestaunen war. Obwohl es ihr in FOLTERMÜHLE DER GEFANGENEN FRAUEN in der Rolle der Jeanette nicht unbedingt gelingt, ein durchgehend überzeugendes Schauspiel zu leisten, arbeitete sie als weibliche Hauptdarstellerin in der darauf folgenden Regiearbeit Rollins, FASCINATION, umso effektiver. Brigitte Lahaie war in ihrer illustren Karriere für begnadete Regisseure wie Jess Franco (DARK MISSION, FACELESS sowie auch Ausflüge unterhalb der Hosennaht), Erwin C. Dietrich (JULCHEN UND JETTCHEN - DIE VERLIEBTEN APOTHEKERSTÖCHTER, SECHS SCHWEDINNEN IM PENSIONAT, GEFANGENE FRAUEN) und selbst Regie-Größen wie Jean-Jacques Beineix (DIVA) und Philip Kaufman (HENRY & JUNE) tätig, erreichte jedoch zumeist nie die Klasse, wie in den Werken von Rollin. Dieser besetzte sie später u. a. auch noch in LA NUIT DES TRAQUÉES und LES ÉCHAPÉES.
Obschon
FOLTERMÜHLE DER GEFANGENEN FRAUEN in Rollins Oeuvre sicherlich einen vergleichsweise
eher kommerziell orientierten Film darstellt, wird auch hier das filmkünstlerische
Talent des Franzosen, welches sich vorwiegend durch surreal anmutende Bildkompositionen
auszeichnet, deutlich. Leider verstrickt sich Rollin jedoch zuweilen in ausschweifenden
Nichtigkeiten, welche vor allem bei der spärlichen Laufzeit ins Gewicht fallen.
Lang ausgespielte Szenen, die eigentlich für den Betrachter nichts Neues bringen
sowie nur mäßige Spannung wechseln sich mit sehr intensiven Momenten und hervorragend
komponierten Bildern ab, so dass der Film - trotz aller wohlmeinenden Voraussetzungen
- ganz sicher nicht alle Publikumsschichten zu begeistern weiß.
Um dies etwas abzumildern, wurden der deutschen Fassung teilweise geradezu hanebüchene Dialoge spendiert, die gelegentlich auch dann zu tönen haben, wenn in der O-Fassung Stille dominiert. So entsteht z. B. nach dem Anschlag von Jeanette auf den Lastwagen der Bauern, welche nun beängstigend von den Verseuchten eingekreist werden, große Ratlosigkeit und Aufgebrachtheit, die sich auch in den Dialogen widerspiegelt: "Jetzt müssen wir zu Fuß ins Dorf laufen!" - "Zu Fuß?" - "Ja, zu Fuß, oder siehst'e hier irgendwo 'n Taxi?" Nachdem den Bauern mit Claudine die Flucht gelingt und die Gruppe zum großen Finale am Hof ankommt, füllt in der deutschen Version ein sehr penetrant und unmelodisch gesummtes Lied die vorherrschende Stille, welches der Stimmung des Films in diesem Moment nicht mehr gerecht wird.
Jedoch
täte man der deutschen Fassung unrecht, wenn man sie zu den Totalentgleisungen
im Stile von SÖLDNER-KOMMANDO rechnen würde. Ganz so sorglos ist der Umgang
mit dem Film dann doch nicht ausgefallen. Besonders ins Auge fallen da höchstens
noch die marktschreierischen Titel, unter denen Rollins Film in Deutschland
ausgewertet wurde. Während sich der Kinotitel noch damit erklären lässt, dass
der Verleih an den Erfolg von MÜHLE DER VERSTEINERTEN FRAUEN anzuknüpfen gedachte,
fehlen für den Videotitel jegliche Worte. Da mag es auch kein Wunder sein, wenn
der Film schon allein auf Grund seiner zugegebenermaßen wilden Betitelung in
das Auge der Jugendschützer rückte und ungerechtfertigt mit bundesweiter Beschlagnahme
bedacht wurde. Ein ähnliches Schicksal ereilte dann in Folge auch noch Rollins
LA MORTE VIVANTE, der hierzulande unter dem weitaus weniger spekulativen Titel
LADY DRACULA seine Videoauswertung erfuhr.
Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass Rollin mit seinem mit minimalen finanziellen Aufwand realisierten FOLTERMÜHLE DER GEFANGENEN FRAUEN einen stimmungsvollen und abseits der gängigen Norm spielenden Horrorfilm schuf, der mit Schocks nicht spart und leider lange Zeit gegen sein Zombiefilm-Image anzukämpfen hatte - vielleicht auch ein Grund dafür, warum dem Film nicht der Erfolg beschieden war, den er sicherlich verdient hätte ...
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