DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN

Originaltitel VIRUS
Alternativtitel VIRUS - L'INFERNO DEI MORTI VIVENTI (ital. Publicity-Titel)
APOCALIPSIS CANIBAL (Spanien)
NIGHT OF THE ZOMBIES (USA/australischer & US-Videotitel)
ZOMBIE CREEPING FLESH (GB)
HELL OF THE LIVING DEAD (europäischer Titel)
HELL OF THE LIVING DEATH (hl. Videotitel)
VIRUS CANNIBALE (Frankreich)
L'APOCALYPSE DES MORTS-VIVANTES (frz. Alternativ-Videotitel)
ZOMBI DELLA SAVANA (Arbeits-Titel)
   
Land und Jahr Italien, Spanien 1980
   
Regie Vincent Dawn [= Bruno Mattei]
Produktionsfirma Beatrice Film S. r. l. & Film Dara
Produktion Sergio Cortona
Drehbuch Claudio Fragasso, J. M. Cunillés
Story Claudio Fragasso, J. M. Cunillés
Kamera John [= Juan] Cabrera
Schnitt Claudio Borroni
Musik Goblin ("geleitet" von Gianni dell'Orso)
Regieassistenz Claudio Fragasso
Ausstattung Antonio Valert
Make-Up-Effekte Guiseppe Ferranti
   
Darsteller Margit Evelyn Newton, Frank Garfield [= Franco Garofalo], Selan Karay, Robert O'Neil [= der Hauptdarsteller von MAD FOXES - FEUER AUF RÄDER!], Selan Karay, Gaby Renom, Luis Fonoll, Piero Fumelli, Bruno Boni, Patrizia Costa, Cesare di Vito, Sergio Pislar, Bernard Seray, Victor Israel [= der Kirchenzombie], Pep Ballenster, Esther Mesina, Joaquin Blanco [ob das Hugo Blanco aus den Italowestern ist?] u. a.
   
deutsche Erstaufführung 27.11.1981
Verleih Avis/Apollo
Format 1:1,85
Laufzeit 89 Minuten (deutsche Kino-Version); Originallänge: 99 Minuten
Home-Entertainment Video:
Silwa Video;
All Video;
Astro (ungeschnitten, 96 Minuten);
Palace, Australien (ungeschnitten, als NIGHT OF THE ZOMBIES);
VCG, Griechenland;
NK Video, Griechenland;
Electric, Belgien (ungeschnitten);
Label unbekannt, Frankreich (als L'APOCALYPSE DES MORTS-VIVANTES).
DVD:
Anchor Bay Entertainment, USA.

 

Fast jedes Filmgenre fordert seine Opfer. Im Liebesfilm gibt es genauso Granaten, wie das etwa beim Drama der Fall ist. Selten jedoch erregen diese Granaten solches Aufsehen (eventuell sogar Ärgernis) wie im Horrorfilm. Denn wenn Horrorfilmregisseure an ihrem Tun zweifeln, dann greifen sie häufig tief in die Schatzkiste der abstoßenden Einfälle, um dem Publikum das Fürchten zu lehren.

Als nun Anfang der 80er Jahre der Zombiefilm seine gedärmeschlackernden Triumphe feierte und den Mythos vom Halbmenschen mit der modern-nihilistischen "Body-in-Pieces"-Fantasie vereinigte, gab es in Italien die meisten Nachahmer. Das ungeheuerlichste und argloseste dieser Produkte ist aber wohl Bruno Matteis hemmungslos blutrünstiger VIRUS. Recht so, ein VIRUS kennt keine Moral!

Ähnlich wie Lenzis INCUBO SULLA CITTA' CONTAMINATA, schmückt sich auch VIRUS mit einer aufgesetzten Öko-Botschaft. Freilich, wenn man den Namen des Drehbuchautoren liest (häufiger Mattei-Mitstreiter Claudio Fragasso), dann lösen sich alle Vorahnungen, man könne es eventuell mit einem ambitionierten Message-Schocker zu tun haben, in Wohlgefallen auf. Stattdessen erwartet einen das volle Programm aus Brunos Plagiaturfabrik. Wäre der Titel nicht schon von Marino Girolami weggeschnappt worden, so hätte ZOMBI HOLOCAUST bei Mattei gepasst wie ein Sargnagel auf den anderen!

Die amerikanische Regierung unterhält in Papua, Neuguinea, ein sogenanntes HOPE-Center, das chemische Forschung betreibt, die wirtschaftlich schwach gestellten Dritteweltländern auf die Beine helfen soll. Oder, das ist zumindest die Legende. Denn unter dem guten Dr. Schweitzer lauert ein finsterer Mabuse, der durch die Entwicklung eines hochwirksamen chemischen Kampfstoffes das Problem der Überbevölkerung auf gänzlich unhumanistische Weise zu lösen trachtet. "Operation Süßer Tod" nennt sich die Aktion. Aber die Fabrik ist nicht viel sicherer als ein handelsübliches AKW: Lecks werden ruchbar, die Techniker vergiftet; alles geht aufeinander los und sich ans Leder.

Die Handlung springt an einen anderen Ort, der den Autokennzeichen nach mit Barcelona identisch ist. Hier haben Terroristen das US-Konsulat besetzt, Geiseln werden genommen. Eine Gruppe von söldnerischen Teufelskerlen stürmt das Gebäude, schießt alles in kleine Fetzen. Ob die Geiseln überleben, erfährt man nicht. Eh nicht so wichtig. Die Terroristen forderten die Abschaltung des HOPE-Centers.

Wie schön und passend ist es da, dass der nächste Job die Söldner (vier an der Zahl) nach Papua, Neuguinea, führt, wo sie sich mit der Fabrik befassen sollen. Offensichtlich ist das Vertrauen in die Sicherheitsvorrichtungen auch von Seiten der Obrigkeit alles andere als ausgereift. Unterwegs werden die Teufelskerle und Himmelhunde verstärkt von einem Journalistenpärchen, das gerade einem Zombiegemetzel entronnen ist. Wie es scheint, haben die Toten der näheren Umgebung nämlich die ausgesprochene Unsitte entwickelt, einfach wieder aufzustehen und draufloszumetzeln!

Gemeinsam schlägt man sich nun durch die Pampa Papuas, erlebt dabei verstörende Eingeborenenriten (Erinnerungen an Kannibalenfilme werden geweckt) und bittere Verluste. Als die Gang die Fabrik endlich erreicht, sind die meisten bereits blutigen Angriffen zum Opfer gefallen. Ein finales Schaschlik findet statt ...

Tja. Es wäre nun wirklich übertrieben zu behaupten, VIRUS wäre ein gutgemachter Film. Mit ziemlicher Sicherheit ist das Werk aber das beste, das Mattei jemals gefertigt hat, mit seinen Nonstop-Attraktionen, die in ihrer grellen Bizarrheit den ganzen Streifen lang gut unterhalten.

Einige kurze Worte zu Mattei. [Anm.: Eine ausführliche Vorstellung des filmischen "Pizza Express" Numero Uno findet sich in unserer HALL OF SHAME] Filme dreht er seit 1969. Obwohl frühere Drehbücher durchaus Ambition verrieten, steckt er seit 1976 rettungslos in der Mühle des Exploitation-Kinos. Gelegentlich mit Gusto gemacht, zeichnet sich das Gros seiner Filme eher durch seine schamlose Spekulativität aus, die bei Fans des Trash-Kinos für feuchte Augen sorgt, mehr als einem zeitgenössischen Kritiker aber nachhaltiges Magendrücken beschert hat. Es ist nicht sonderlich in Mode, Mattei-Filme gut zu finden, aber sie überraschen einen immer wieder mit außergewöhnlichen Elementen. Ob das der surreale Gefangenenchor aus KZ 9 - LAGER DI STERMINIO ist; die pantomimische Darbietung nach dem Tod Caligulas in CALIGULA E MESSALINA; oder die eingefrorenen Liebesakte, die Nonnen in LA VERA STORIA DELLA MONACA DI MONZA betrachten - Mattei bringt einen mit solchen unerwarteten Kindereien immer wieder ganz schön aus dem Konzept.

Und dann die Sache mit dem Kopieren! In SCALPS beispielsweise, einem extrem blutdürstigen Neo-Western, befinden sich Szenen, die das finale Gemetzel von SOLDIER BLUE fast Einstellung für Einstellung nachstellen. Ebenso findet sich eine Lastwagenfahrt aus RAIDERS OF THE LOST ARK nahezu identisch in STRIKE COMMANDO 2 wieder. Und dass Mattei für VIRUS das Pseudonym "Vincent Dawn" gewählt hat, kommt nicht von ungefähr ...

Romeros DAWN OF THE DEAD wird selbstverständlich gut durchgemistet. Gleich zu Beginn - beim Angriff auf das Konsulat - bedient sich der gute Bruno schamlos bei einer der ersten Sequenzen des Romero-Schockers, in der Nationalgardisten einen puertoricanischen Wohnblock stürmen. Sogar die Uniformen der Söldner sind weitgehend identisch. Auch die Idee, den nationalen Notstand von hektisch-panischen Fernsehsprechern dokumentieren zu lassen, ist freilich Romero entlehnt.

Was gibt Mattei hinzu? Nun, Mattei gibt uns z. B. die äußerst unansprechenden Charakterisierungen der Söldner, die als gemeingefährliche Mörder zu bezeichnen eher noch geprahlt wäre! In einer Szene hält einer der Ballermänner einen Kollegen davon ab, einen namenlosen Zombie zu füsilieren: "Du bist nicht sehr höflich - Ich kriege den ersten Schuss!!!" Balla-balla-balla ... (Die deutsche Synchro ist zudem generell ziemlich ungeheuerlich. Ein wahres Feuerwerk wird da abgebrannt!)

Die Logik bleibt bei Mattei natürlich völlig auf der Strecke, aber das sollte wirklich nicht die Hauptsorge des Zuschauers sein. Wieso etwa die Söldner, obwohl ihnen längst gesagt worden ist, dass auf die Köpfe gezielt werden muss, unentwegt auf die Bäuche der Untoten halten, lässt sich wohl nur aus dem Enthusiasmus heraus deuten, den diese Feingeister ihrem Job entgegenbringen. Auch eine Szene zu Beginn des Zelluloid-Irrsinns, in der der sterbende Anführer der Terrorgruppe eine geharnischte Warnung ausspricht, bleibt schwer nachvollziehbar: Woher weiß der Mann, was in Papua stattfindet?

Diese Fragen kann wohl nur der Mann beantworten, der Bruno die vielen schönen Vogel-Archivbilder geschenkt hat, welche die Handlung in regelmäßigen Abständen unterbrechen: Kraniche, Albatrosse und vermutlich auch Haubentaucher bilden buntgefiederte Kontrapunkte zum apokalyptischen Survival-Training.

Einige Szenen sind unleugbar effektiv. Ein Moment, in dem eine Katze aus einer alten Dame herausspringt, verjagt nicht nur den beteiligten Schauspieler. Und die Szene, in dem ein weißgedresster Kirchenzombie am helllichten Tag durch ein Dorf wankt, ist wirklich ziemlich unheimlich. Insgesamt jedoch erfreut der Film das Herz seiner Zuschauer mehr durch den nicht versiegenden Strom grober (grotesker) Action, die den Film - trotz der formalen Abstriche - zu einem der unterhaltsamsten seiner schlecht beleumundeten Zunft macht.

Lobend erwähnt werden muss der geschickt geklaute Goblin-Score (aus DAWN und Cozzis CONTAMINATION aka ASTARON - BRUT DES SCHRECKENS), der den absurden Vorgängen eine solide Grundspannung beschert. Unter den Darstellern ragt Franco Garofalo heraus, welcher Mattei zur selben Zeit zweimal ins Kloster begleitete, nämlich in dem schon erwähnten LA VERA STORIA und in L'ALTRO INFERNO. Ihm gehört hier eine großartige Augenroll-Rolle, die von seinem Argento-esken Haarschnitt noch verschärft wird.

Ein sehr lustiger Film, dessen deutsche Fassung zwar ebenfalls enorm eklig, aber um etwa 10 Minuten gekürzt ist. Es fehlt weitgehend Material, das den Zusammenbruch Neuguineas beschreibt sowie ein blutiger Epilog mit zwei doofen Nachtschwärmern, die von einem Zombie plattgemacht werden, was meiner Einschätzung nach das Beste ist, was ihnen passieren konnte ...

Krauchen im Urwald hält jung und fit!

[Anm.: DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN wurde unglaublicherweise hierzulande mit dem damals innovativen DOLBY STEREO-Verfahren veredelt. Der wahre Synchro-Wahnsinn lässt sich somit eben adäquat nur im Kino erleben. Was Sie bei uns verpassen, ist für Sie unwiederbringlich verloren ...]

 

© by CHRISTIAN KESSLER

 

 

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