VON ANGESICHT ZU
ANGESICHT
HALLELUJA - DER TEUFEL LÄSST EUCH GRÜSSEN (Titel der Wiederaufführung)
Originaltitel | FACCIA A FACCIA (Italien) CARA A CARA (Spanien) |
Alternativtitel | FACE TO FACE (Exporttitel) HALLELUJAH - DER TEUFEL LÄSST SCHÖN GRÜSSEN (dt. Videotitel) |
Land und Jahr | Italien, Spanien 1967 |
Regie | Sergio Sollima |
Produktionsfirma | P.E.A. & Arturo Gonzales Prod. |
Produktion | Alberto Grimaldi & Arturo Gonzales |
Drehbuch | Sergio Sollima & Sergio Donati |
Story | Sergio Sollima & Sergio Donati |
Kamera | Rafael Pacheco & Emilio Foriscot |
Schnitt | Eugenio Alabiso |
Musik | Ennio Morricone (Dirigent: Bruno Nicolai) |
Regieassistenz | Mariano Canales & Maurizio Mein |
Kameraassistenz | Ruggero Radicchi |
Ausstattung | Carlo Simi |
Kostüme | Franco Antonelli & Carlo Simi |
Maske | Dino Carboni |
Special Effects | Eros Bacciucchi |
Produktionsleitung | Aldo Pomilia & Norberto Solino |
Darsteller | Gian Maria Volonté (Brad Fletcher), Tomas Milian (Beauregard Bennett), William Berger (Charlie Siringo), Jolanda Modio (Maria), Gianni Rizzo (Mr. Williams), Carole André (Elizabeth Wilkins), Angel del Pozo (Maximilian de Winton), Aldo Sambrell [= Alfredo Sanchez Brell] (Zachary Scott), Nello Pazzafini (Vance), Lydia Alfonsi (Belle de Winton), José Torres (Harold), Rick Boyd [= Federico Boido] (Sheriff), Linda Veras, Francisco Brana u. a. |
deutsche Erstaufführung | 19.07.1968 |
Verleih | Alpha; Wiederaufführung: Mercator |
Format | 1:2,35 |
Laufzeit | 112 Minuten (= 3059 Meter, deutsche Kino-Version); Originallänge: 112 Minuten |
Home-Entertainment | Video: ITT Contrast; VMP. |
Sergio Sollima ist einer dieser Regisseure,
für die der Italowestern aufgrund der kommerziellen Möglichkeiten,
die das Genre im Italien der späten 60er-Jahre offerierte, die beste Chance
war, ihre (häufig politisch motivierten) Charakterdramen an einen gewogenen
Produzenten und an den Mann von der Straße zu bringen. FACCIA A FACCIA
lässt sich am ehesten als Sozial-Western bezeichnen, ist dieser doch in
erster Linie an einem außergewöhnlichen Charakterporträt interessiert.
Was
nicht heißen soll, dass der Film die gewohnten Merkmale des Genres schuldig
bliebe ...
Der Geschichtslehrer Brad Fletcher ist wegen einer Lungenkrankheit gezwungen, seinen Posten an der Ostküste aufzugeben und in das für ihn klimatisch besser geeignete Texas überzusiedeln. Es hat zunächst den Anschein, als würde seine Genesung dort Fortschritte machen. Unerwartete Komplikationen treten jedoch auf, als er mit dem gewissenlosen Verbrecher Beauregard Bennett aneinander gerät, der ihn als Geisel bei einer Flucht vor Gesetzeshütern benutzt. In seiner Obhut wird der bislang bedingungslos pazifistische (und in seinem Geschichtsverständnis reichlich statische) Fletcher mit den Reizen des Verbrecherlebens bekannt gemacht. Zuerst erschreckt durch die animalische Zweckgerichtetheit Bennetts, der ohne alle moralischen Imperative agiert, beginnt er den Reiz der Schlangengrube zu spüren. Aus anfänglicher Faszination an einem interessanten Studienobjekt wird bald begeisterte Hingabe an ein Leben, das befreit ist von allen gesellschaftlichen Fesseln: Er wird Mitglied von Bennetts Bande!
Durch
Verrat gerät Bennett in Gefangenschaft; Professor Fletcher übernimmt
das Ruder. Anders als der eher bauchzentrierte Bennett, plant Fletcher seine
Verbrechen mit intellektuellem Scharfsinn. Leider schlagen auch alle seine moralischen
Bedenken, die sein bisheriges Leben bestimmt hatten, ins komplette Gegenteil
um. Er wird zu einem faschistischen Machtmenschen, während Bennett in seiner
Gefangenschaft eine moralische Seite gewinnt. In der Wüste treffen die
beiden charakterlich gewandelten Outlaws wieder aufeinander ...
FACCIA A FACCIA wäre, trotz
der überlegten und effektsicheren Regie von Sollima, nicht halb so gut,
wenn dieser auf seine Hauptdarsteller hätte verzichten müssen: Der
Damiani- und Petri-geschulte Gian Maria Volonté gibt als Fletcher eine
seiner intensivsten und wandlungsfähigsten Darstellungen überhaupt
- atemberaubend ist das Wort dafür. Ihm gegenüber steht Tomas Milian,
ein gebürtiger Kubaner, der im italienischen Kino der 60er- und 70er-Jahre
in zahlreichen (häufig exzentrischen) Rollen zu sehen war und jetzt nach
Hollywood entschwunden ist, wo man ihn gelegentlich als Drogenboss o. ä.
verbrät, seines immensen Talentes unwürdig. [Anm.: Dass es auch in
Hollywood Regisseure gibt, die Milians außergewöhnliches schauspielerisches
Talent zu schätzen wissen, hat Steven Soderbergh in seinem komplexen und
visuell beeindruckenden Drogen-Drama TRAFFIC mit Nachdruck unter Beweis stellen
können. Die
wichtige Nebenrolle eines korrupten mexikanischen Generals besetzte Soderbergh
nämlich mit dem mittlerweile glatzköpfigen Kubaner, der damit endlich
auch in einer ambitionierten amerikanischen Produktion sein einzigartiges Können
demonstrieren durfte.] In allen drei Sollima-Western (die anderen sind DER GEHETZTE
DER SIERRA MADRE und LAUF UM DEIN LEBEN) spielte Milian eine der Hauptrollen;
in den anderen beiden gibt er den mexikanischen Strauchdieb Cuchillo. William
Berger hat in FACCIA A FACCIA eine seiner besten Rollen überhaupt. Er spielt
den Pinkerton-Detektiv Siringo, der hinter Bennett her ist und versucht, in
seine Bande aufgenommen zu werden. (In der stark gekürzten englischen Fassung
spricht Berger sich selbst.) Auch dabei ist Aldo Sambrell, der in unzähligen
Western eine Vielzahl mexikanischer Bösewichte gab.
Das brillante Drehbuch des Films - dem sogar der bei Western dieser Art mit "Wir raten ab's" nicht gerade geizende katholische FILMDIENST seine Zustimmung nicht versagen konnte - wird unterstützt durch die enorm spannende Inszenierung, die dem Zuschauer weder bei den aktionsbetonten Sequenzen noch bei den Dialogpassagen Zeit zum Luftholen gewährt, wie auch durch die herausragende Musik von Ennio Morricone. Die Faszination von FACCIA A FACCIA wird nicht gemindert durch die üblichen lokalen Minuspunkte, wie eine deutsche Stimme für Milian, die eher zu Käpt'n Iglo passen würde, oder einen deutschen Video-/Wiederaufführungstitel, bei dem der Bart endgültig Feuer fängt - Halleluja am Arsch!
In
das Charakterdrama verwoben sind zahlreiche Fragen intellektueller Natur, wie
beispielsweise jene, ob Bildung - mit ihrer Schwester, der elitären Schnöselhaftigkeit
- den Menschen nicht eher noch zu größerer Perversion befähigt,
als dies ohnehin schon der Fall wäre. Aber niemals drängt sich der
Film mit seinen unterliegenden Themen auf; er unterhält kolossal. Sein
Humor fällt bei alledem etwas trocken aus, wie z. B. die Figur des Gehilfen
eines feisten Bankiers, der Abe Lincoln wie aus dem Gesicht geschnitten ist,
andeutet.
Wie gesagt: Ein schlauer Film, ein spannender Film, mit vielen formalen Exzellenzen. Der beste der drei Sollima-Western, aber nur knapp! Also anschauen, aber fix ... Und grüß mir den Teufel!
Zu William Berger möchte ich
noch hinzufügen, dass er ein lieber Freund war, den ich einige Male in
Berlin getroffen habe. Er hatte mich sogar eingeladen auf seine Farm in Sardinien,
doch bevor ich der Einladung Folge leisten konnte, schlug das Schicksal zu:
William/Wilhelm brach nach dem Dreh an einem Jess-Franco-Film am Flughafen zusammen
und wurde ins Krankenhaus gebracht. Die Diagnose lautete: Knochenkrebs im nicht
mehr heilbaren Stadium! Ich habe mit William noch telefoniert, als er in L.
A. im Hospital lag. Er machte immer noch flapsige Scherze und gestand seiner
Situation nicht zu, dass sie ausweglos war, wie das seine Art war. Mir liefen
bei dem Gespräch die Tränen über das Gesicht. Wenig später
war er tot, gnadenreich exekutiert von einem Herzinfarkt, der ihn vor dem Ärgsten
bewahrt hat. Möge er auf einem möglichst schräg wiehernden Zossen
in die ewigen Jagdgründe eingeritten sein!
© by CHRISTIAN KESSLER
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